Bio Bern

Geschichte Bio Bern | Bärner Bio Bure

Aus dem Jahr 2012 – Geschrieben von Kathrin Schneider, damalige Präsidentin

 

20 Jahre sind nicht viel in der Entwicklung der Menschheit. Wenn wir aber 20 Jahre zurückblicken, merken wir, dass da doch einiges in Bewegung war…

Wir erinnern uns: Vor 20 Jahren fuhren wir noch im Zug, ohne unfreiwillig Details über das Privatleben anderer Fahrgäste zu erfahren…was machten wir nur ohne Handys oder i-Phones? Wer hatte daheim schon einen Computer? Und wer wusste damals, wie abhängig wir auch in der Landwirtschaft einmal vom Internet sein würden?

Tierdatenbanken, Datenerhebungen, An- und Verkäufe von Landmaschinen- wir surfen im Netz und holen uns Informationen über Wichtiges oder scheinbar Nötiges. Und haben immer weniger Zeit, den wichtigen Dingen im Leben genügend Aufmerksamkeit zu widmen.

Auch die Bärner Bio Bure haben in den letzten 20 Jahren eine rasante Entwicklung hinter sich gebracht.

Zu Beginn der Neunziger Jahre gab es im Kanton Bern noch keine kantonale Bioorganisation. Bioorganisationen wie die welsche Progana, die Biofarm, AVG, die Bioterra und die AAESI im Tessin, daneben der Produzentenverein der biologisch-dynamischen Landwirte, waren unter dem Dach der Bio Suisse (zuerst noch VSBLO=Vereinigung schweizerischer biologischer Landbau-Organisationen) vereinigt.

 

Durch den grösser werdenden Biomarkt stellten immer mehr Betriebe auf Bio um. 1992 gab es im Kanton Bern aber erst rund 70 Biobetriebe.

Um geeint die Probleme anzupacken und mehr Einfluss zu haben - auch auf politischer Ebene - trafen sich im Sommer 1992 die Biobauern des Kantons zu einer Orientierung.

Praktisch alle Anwesenden waren begeistert von der Gründung eines Vereins, und am 16. September 1992 wurde der erste Vorstand der Bärner Bio Bure mit neun Mitgliedern aus verschiedenen Regionen des Kantons gewählt.

Speziell war die Wahl des ersten Präsidenten: Hans Ulrich Bigler wurde im «Abwesenheitsverfahren» gewählt, da er als Grossrat gerade Session hatte und im Berner Rathaus war.

Der Name «Bärner Bio Bure» setzte sich übrigens gegen das „politisch korrekte“ VBBB (Vereinigung der Biobauern und Biobäuerinnen des Kantons Bern) durch. Auch anwesende Biobäuerinnen unterstützten den kürzeren Vereinsnamen. Nicht weniger als vier von ihnen wurden dann in den ersten Vorstand gewählt. Darunter Regina Fuhrer, die später 10 Jahre Präsidentin der Bio Suisse war, und Kathy Hänni, heute Grossrätin in Bern.


Von Pionieren und Idealisten

Gross war das Medieninteresse an den Veranstaltungen der Biobauern. Hans Ulrich Bigler, erster Präsident der Bärner Bio Bure, erinnert sich gerne an die Anfänge des noch jungen Vereins: „Wir hatten kein Geld, aber viele Ideen.“ Eine Aufbruchsstimmung habe geherrscht. „Viel Herzblut und zahllose ehrenamtliche Arbeit haben wir investiert.“ An den Bio-Aktionstagen vor dem Bundeshaus in Bern sei jeweils die nationale Presse vor Ort gewesen.

 

Der „Möschberg“ als Wiege des biologischen Landbaus in Europa habe bei vielen Berner Biobäuerinnen und Bauern den Wunsch nach einer moderneren Ausrichtung des Biolandbaus geweckt. Biopioniere wie Fritz Dähler aus Noflen, Jakob Bärtschi aus Lützelflüh oder Werner Scheidegger aus Madiswil brachten der Bewegung Inhalte und führten zu Gründungen wie der Biofarm vor 40 Jahren oder einer ersten Bernischen Biomichgenossenschaft in den Achtzigerjahren.

Technische Entwicklungen wie die ersten Abflammgeräte oder der Hackstriegel erleichterten vielen Bauern die Umstellung.

 

Nachdem in den Neunzigerjahren Grossverteiler den Biomarkt entdeckten, boomte der Biolandbau und der Verein entwickelte sich in nur zehn Jahren auf eine Mitgliederzahl von 1400 Betrieben.

 

In der Jubiläumsschrift 2002 las man folgende Visionen:

2012 gibt es im Kanton Bern nur noch Biobauern

2012 ist die Gentechnik in der Versenkung verschwunden

2012 sind keine Bioimporte mehr notwendig, obwohl die Konsumentenschaft mehr Bio-produkte denn je einkauft.

2012 steht die Wertschätzung gegenüber dem Lebendigen über allem Anderen

2012 arbeitet jeder Biobetrieb eng mit anderen Biobetrieben zusammen

2012 wissen alle Kinder, woher die Milch kommt.

2012 erhalten die Biobauern gerechte Preise

2012 hat die ganze Gesellschaft ein ausgeprägtes „Bodenbewusstsein“ und handelt entsprechend.

2002 war ich bereits einmal Mitglied im Vorstand der Bärner Bio Bure. Ich muss allerdings zugeben, dass ich mich nicht mehr an alle damals geäusserten Visionen erinnerte.

 

Natürlich bot sich nun an, Bilanz zu ziehen und die Visionen oder deren Realisation genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wo stehen die Bärner Bio Bure 2012?

Heute umfasst unser Verein gut 1000 Mitglieder. Betriebsaufgaben und vereinzelt Kündigungen (Hauptauslöser Verbot konventioneller Raufutterzukauf) haben auch bei uns ihre Spuren hinterlassen.

Finanziell steht unser Verein gut da, wir können es uns leisten, die zweittiefsten Mitgliederbeiträge innerhalb der Bio Suisse zu erheben.

 

An der HV sehen wir jedoch immer weniger Biobauern und noch weniger Biobäuerinnen. Wenn wir vor zehn Jahren noch über 100 zählten, dann waren es an der HV 2012 noch knapp 60.

Unsere Betriebe sind sehr vielschichtig: Vom Gemüsebauern bis zum Bergbauern, Mutterkuhhalter zur Fischzucht gibt es die verschiedensten Interessen zu berücksichtigen. Unser Kanton hat eine vielseitige Landwirtschaft, das merkt man auch bei den Biobauern.

Genau so unterschiedlich sind auch die Interessen der einzelnen Biobäuerinnen und Biobauern: Auch heute gibt es sie noch, die Idealisten, die mit Herzblut den Biolandbau ausüben. Daneben gibt es (leider) auch die knallharten Rechner, die auf den Biozug aufsprangen und das System und dessen Grenzen ausloten.

Die Biooffensive der Bio Suisse hat uns in den letzten zwei Jahren wieder neue Umsteller gebracht. Es wäre wünschenswert, einige dieser neuen Mitglieder auch an einem der Vereinsanlässe begrüssen zu können.

 

Ich kenne Mitgliedsorganisationen mit 160 Biobauern, die an ihren Veranstaltungen über die Hälfte ihrer Mitglieder begrüssen dürfen. Hilfe! Das wäre für uns wohl eine Utopie, aber das Desinteresse macht uns im Vorstand manchmal schon Mühe…

Wahrscheinlich braucht es ein paar Wildschweine, die vorausgehen…

Dieses Zitat von Hans Ulrich Bigler beschäftigte mich auf dem Heimweg von seinem Bauernhof.

Sind wir heute zu wenig „wild“, um die Medien noch zu interessieren? Ein Bioskandal würde heute mehr Leser anziehen als eine Erfolgsgeschichte.

 

Weil: Eigentlich können wir doch stolz sein auf die Entwicklung des Biolandbaus im Kanton Bern. Unsere Vertreter sind auch politisch aktiv- wenn auch nicht immer an vorderster Front…

Einige der Visionen können wir also sicher als teilweise erfüllt betrachten. Andere Entwicklungen (Gentechnik) bedrohen uns noch heute.

Die Bioimporte bedrohen zum Beispiel nicht nur unsere Konkurrenz-fähigkeit, sondern vermehrt auch unsere Glaubwürdigkeit. Und wo wären wir heute, wenn wir dieses höchste Gut verlieren würden?

 

Noch mehr Mühe macht mir im Moment der Einkaufstourismus über die Grenze. Dort fragt niemand nach, wie die Tierschutzbestimmungen eingehalten wurden.

Wie der Rest der Schweizer Landwirtschaft verbringen wir viel Zeit mit Aufzeichnungen oder bürokratischen Belangen. Diese Arbeit nahm zu, wird aber in keiner Arbeitszeiterfassung berücksichtigt. Schon gar nicht bei den SAK- Berechnungen…

Viele Biobetriebe machen sich Sorgen über ihre Nachfolge. Mit der Bioschwand verfügen wir im Kanton Bern über einen ausge-zeichneten Ausbildungsplatz mit Praxisnähe, kämpfen aber manchmal um genügend Anmeldungen.

 

Was macht den Biolandbau attraktiv? Wie fördern wir die Solidarität unter den Biobauern und knüpfen die wichtigen Kontakte zu den Konsumenten?

Manchmal beneide ich die ersten Biobauern um ihren «Aufbruchgeist». Wenn wir uns im Vorstand um Richtlinien und Weisungen kümmern müssen, die für die Produktion von Biozierpflanzen wichtig sind, oder wenn wir über Bio-Fischzucht und -futter diskutieren, dann frage ich mich jeweils schon, was ich eigentlich hier mache?

 

Dann gehe ich aber zum Beispiel in Thun am Samstag über den Rathausplatz und bin stolz auf «unsere» Biobauern. Was haben wir für initiative Landwirte, originelle Hofläden oder bunte Angebote vom Brunch bis zum Kindergeburtstag!

Biobauern, die sich engagieren für die Umwelt und denen die Entwicklung von Natur und Landschaft nicht egal sind!

 

Biobauern, die mit Stolz ihre biologischen Lebens-mittel anbieten und denen das Tierwohl am Herzen liegt.So stellen wir uns der Zukunft und blicken gespannt den neuen Herausforderungen entgegen.

Und wer weiss… vielleicht erreichen wir gemeinsam die Ziele, für welche die «Pioniere» eintraten? Meine Anerkennung und Dank gehen an die verschiedenen «Vorkämpfer» wie Res Schmutz, Maria Graber Schmutz, Hansruedi Schmutz, Jakob Bärtschi, Fritz Dähler, Werner Scheidegger  und alle anderen!!!

 

Hier die Liste der Präsidenten und Geschäftsführer des Vereins. Es ist schön, dass praktisch alle dem Biolandbau in einer Form weiterhin treu geblieben sind, sei es am FIBL, bei der BTA, in der Bio Suisse oder als aktive Bäuerinnen und Bauern.

 

Präsidentinnen und Präsidenten der Bärner Bio Bure | Bio Bern

1992-1996   
1996-1998
1998-2004
2004-2010
2010-2020
seit 2020

Hans Ulrich Bigler, Ried b. Worb
Kathy Hänni, Kirchlindach
Res Bärtschi, Lützelflüh
Andreas Schneider, Ursenbach
Kathrin Schneider, Walkringen
Monika Sommer, Les Reussilles

Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer

1992-2002    
2002-2003
2003-2011
2011-2021
2021-

Res Schmutz, Mamishaus
Katrin Wermuth, Vielbringen
Heinz Minder, Diemerswil
Francine Riesen, Burgistein
Manuela Schüpbach, Sumiswald